Erste klinische Studie zur Behandlung von Parkinson mit induzierten pluripotenten Stammzellen


27.09.2018   News


Nach langjähriger und intensiver Forschung begann vor kurzem in Japan die erste klinische Studie (first-in-human) zur Behandlung von Parkinson, bei der die abgestorbenen Dopamin produzierenden Nervenzellen der Patienten durch reprogrammierte Stammzellen ersetzt werden sollen.

Die Krankheit Parkinson ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, von der weltweit mehr als 6 Millionen Menschen betroffen sind. Die Ursache von Morbus Parkinson (benannt nach dem englischen Arzt James Parkinson) ist noch unbekannt, aber es wird vermutet, dass sowohl genetische als auch umweltbedingte Risikofaktoren eine Rolle spielen. Charakteristisch für Parkinson ist der Verlust von dopaminergen Neuronen, einer hoch spezialisierten Art von Neuronen in der Substantia nigra im Mittelhirn, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Der Verlust von dopaminergen Neuronen verursacht die typischen Symptome (z.B. Zittern, Muskelstarre). Zusätzlich zu motorischen Symptomen kann die Krankheit auch Begleiterscheinungen wie kognitive und mentale Störungen sowie Schlafprobleme, Demenz und Depression verursachen. Bis jetzt gibt es nur Medikationen, um die Symptome zu behandeln, aber leider gibt es noch keine Heilung für Morbus Parkinson. Humane pluripotente Stammzellen stellen jedoch eine vielversprechende Option dar. Wenn es möglich wäre, bei Menschen mit Parkinson die abgestorbenen Dopamin produzierenden Neuronen zu ersetzen, könnte dies möglicherweise das Fortschreiten der Krankheit stoppen oder sogar Verbesserungen bewirken. Forscher/innen arbeiten seit Jahrzehnten an solch einen Ansatz, der entweder auf embryonalen Stammzellen oder reprogrammierten adulten somatischen Zellen beruht.

Stammzellen eröffnen neue Möglichkeiten zur Behandlung von Morbus Parkinson 

Im August dieses Jahres begann die erste klinische Studie zur Behandlung von Parkinson mit induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS). Insgesamt werden sieben Patienten rekrutiert. Der Ansatz des Teams um Jun Takahashi, einem Neurochirurgen am Zentrum für iPS-Zellforschung und Anwendung (CiRA) der Universität Kyoto, ist es, dopaminerge Vorläuferzellen aus iPS-Zellen zu generieren und die reprogrammierten Zellen anschließend im Rahmen eines chirurgischen Eingriffes in die Substantia nigra im Mittelhirn zu injizieren. Dazu werden zwei kleine Löcher in den Schädel des Patienten gebohrt und ca. 5 Millionen Zellen injiziert. Da die transplantierten Neuronen zunächst reifen und Millionen von Verbindungen im Gehirn erzeugen müssen, werden die ersten Erfolge der Behandlung frühestens sechs Monate nach der Operation erwartet. Im Gegensatz zur Behandlung der Symptome mit Medikamenten geht man jedoch davon aus, dass durch einen einmaligen Eingriff ein lebenslanger Nutzen erzielt wird, da sich die reprogrammierten Zellen stabil integrieren und dann Dopamin in situ produzieren können. 

Theoretisch wäre es auch möglich, patientenspezifische (autologe) iPS-Zellen zu erzeugen, aber die Herstellung von maßgeschneiderten iPS-Zellen wäre teuer und es kann einige Monate dauern, diese Zellen individuell zu produzieren. Daher entschieden sich die Forscher/innen iPS-Zellen von gesunden Spender/innen zu verwenden. Es wurde eine Zelllinie gewählt, bei der die Wahrscheinlichkeit einer Abstoßungsreaktion des Immunsystems gering ist, aber die Teilnehmer/innen der Studie erhalten vorsorglich trotzdem Immunsuppressiva.

Frühere Studien zeigten vielversprechende Ergebnisse

Bevor eine neue medizinische Behandlung am Menschen getestet wird, werden viele präklinische Studien am Tiermodell durchgeführt (proof-of-principle). Das japanische Forscherteam hat die gleiche Versuchsstrategie zuvor an Affen getestet (wir berichteten in unserem Newsletter 04/2017): Aus menschlichen iPS-Zellen hergestellte Neuronen wurden in das Gehirn von Makaken injiziert und die implantierten Zellen überlebten dort mindestens zwei Jahre, ohne dass es zu gefährlichen Nebenwirkungen kam (z.B. Tumorentwicklung). Darüber hinaus bildeten die transplantierten Neurone Verbindungen mit den Gehirnzellen des Affen und auch noch zwei Jahre nach der Operation wurde eine signifikante motorische Verbesserung beobachtet. Der nächste Schritt besteht nun darin, eine klinische Studie durchzuführen, um herauszufinden, ob die vielversprechenden Ergebnisse aus dem Tiermodell auf den Menschen übertragbar sind.

Forschungsanstrengungen auf der ganzen Welt 

Nicht nur in Japan arbeiten Forscher/innen seit Jahren an der Entwicklung von stammzellbasierten Behandlungen für Parkinson. Führende Forscher/innen aus dem Bereich (einschließlich Jun Takahashi) haben 2014 ein Konsortium namens "GForce-PD" gegründet, um gemeinsam Ansätze für die Klinik zu entwickeln. Auch Lorenz Studer vom Sloan Kettering Institut in New York, der seit mehr als 20 Jahren an der Parkinson-Krankheit arbeitet, wird ebenfalls bald eine klinische Studie zur Behandlung von Parkinson mit reprogrammierten Stammzellen beginnen. Im Gegensatz zu Jun Takahashis Ansatz werden jedoch dopaminerge Neuronen transplantiert, die aus embryonalen Stammzellen gewonnen wurden. Die Studie wird wahrscheinlich eine kombinierte Phase-I / IIa-Studie sein, basierend auf Vorversuchen in Mäusen, Ratten und Affen. 

Ergebnisse der laufenden klinischen Studie in Japan und weiterer geplanter Studien mit embryonalen Stammzellen werden in 2-3 Jahren erwartet; höchstwahrscheinlich gefolgt von klinischen Studien der Phase-II- und Phase-III. Das Hauptziel einer klinischen Phase-I-Studie besteht darin, zu zeigen, dass der Ansatz durchführbar und sicher ist.

Es wurde berichtet, dass Forscher/innen in Australien und China (die nicht Teil des GForce-PD Verbundes sind) bereits neuronale Vorläuferzellen aus embryonalen Stammzellen in die Gehirne von Parkinson Patienten injiziert haben. Forscher/innen des GForce-PD-Konsortiums äußerten jedoch Bedenken hinsichtlich der Sicherheit dieses Ansatzes, da nicht dopaminerge Vorläuferzellen, sondern neuronale Vorläuferzellen verwendet werden, d.h. es handelt sich um eine früheres Entwicklungsstadium der Zelle und sie können sich auch in einen anderen als den gewünschten Typ von Neuronen differenzieren und könnten gefährliche Mutationen akkumulieren. Darüber hinaus gibt es angeblich keine verlässlichen präklinischen Daten (peer-review) zu diesen Versuchen.

Stammzellbasierte Ansätze für neurodegenerative ErkrankungenZellersatztherapien für Parkinson sind ein vielversprechender Ansatz. Mit der ersten auf iPS-Zellen basierenden klinischen Studie in Japan beginnt eine neuer und spannender Abschnitt, auch wenn es noch einige Jahre dauern wird, bis eine mögliche Behandlung für Parkinson wirklich marktreif ist und kommerzialisiert werden kann.

Diese klinischen Studien sind jedoch wegweisend und werden zur Entwicklung neuer zellbasierter Behandlungen für Parkinson beitragen, die hoffentlich den Weg für weitere stammzellbasierte Therapien zur Behandlung anderer neurologischer Erkrankungen ebnen werden.

Weitere Literatur (in Englisch):

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