„Translationale Stammzellforschung“ in persona


29.09.2016   News


Projekte im Bereich der translationalen Stammzellforschung haben eine Brückenfunktion zwischen den grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnissen im Labor und dem Einsatz in der Patientenversorgung. Wer sind die Menschen, die hinter einem solchen Projekt stehen? Welche Interessen haben sie, auch über den Tellerrand des eigenen Forschungsgebietes hinaus? Was bewegt sie momentan? 

Mit dieser Serie wollen wir versuchen, den abstrakten Begriff der Translation greifbar zu machen und einen Blick hinter die Kulissen der translationalen Stammzellforschung ermöglichen. Im dritten Teil dieser Serie stellt sich Bernd Giebel vor.

Ich bin... Bernd Giebel, 49 Jahre alt und Vater eines 9-jährigen Sohns. Ausgebildet wurde ich als Entwicklungsbiologe an der Universität zu Köln. Seit 1999 beschäftige ich mich mit blutbildenden Stammzellen des Menschen, zunächst an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf und seit November 2008 an dem Universitätsklinikum Duisburg-Essen. Im Rahmen unserer Grundlagenforschung in diesem Bereich bin ich 2005 auf die Existenz von Exosomen aufmerksam geworden, 70-150 nm große Vesikel, die gemeinsam mit einer Reihe anderer extrazellulärer Vesikel von praktisch allen Zellen inklusive Stammzellen abgegeben werden. Seit 2009 setzen wir uns auch experimentell mit solchen Extrazellulären Vesikeln (EVs) auseinander und hier besonders mit deren therapeutischem Potenzial in regenerativen und Immuntherapien. Als Ausgangsquelle zur Isolation therapeutisch aktiver EVs verwenden wir sogenannte mesenchymale Stamm- oder Stromazellen (MSCs), die bereits in einer Vielzahl an klinischen Studien zur Behandlung diverser Erkrankungen mit unterschiedlichen Erfolgen eingesetzt worden sind. Es deutet sich an, dass therapeutische Wirkungen der MSCs in vielen Fällen durch EVs vermittelt werden und nicht wie lange angenommen durch einen direkten Einbau der MSCs in geschädigte Gewebe. Da sich EVs nicht selbst replizieren können, sie sich durch Filtration sterilisieren lassen und einfacher in der Handhabung sind als Zellen, weisen EVs für Therapien einige Vorteile gegenüber Zellen auf. Bereits 2011 haben wir einen individuellen Heilversuch bei einer Patientin mit MSC-EVs durchgeführt, die nach einer Knochenmarktransplantation eine nicht behandelbare Graft-versus-Host Erkrankung entwickelt hat, eine häufig vorkommende Nebenwirkung nach Knochenmarktransplantation. Der Befund, dass die MSC-EV Behandlung zu einer vier Monate anhaltenden Unterdrückung der Krankheitssymptomatik führte, motivierte uns, unsere Forschungen in diese Richtung zu intensivieren. Unser Ziel ist es, MSC-EVs für den routinierten klinischen Einsatz zu qualifizieren. Hierfür müssen diverse Schritte in der Produktion und Qualitätssicherung optimiert, validiert und qualifiziert werden. Als Gewinner des Förderwettbewerbs Translationale Stammzellforschung, haben wir in einem Konsortium von Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Essen, des Leibniz-Instituts für Analytische Wissenschaften - ISAS - e.V. in Dortmund und der Firma Particle Metrix aus Meerbusch begonnen, diese Herausforderung anzunehmen und haben erste Schritte Richtung Translation erfolgreich umsetzen können. Weitere erforderliche Schritte werden nun im Rahmen des Konsortialprojekts Produktion und Qualitätssicherung von stammzell-abgeleiteten extrazellulären Vesikeln für neuartig regenerative und immun-modellierende Therapieansätze (SEVRIT) vom Leitmarktwettbewerb LifeSciences.NRW gefördert. Das Konsortium besteht aus Wissenschaftlern des Universitätsklinikums Essen und des Leibniz-Institut für Analytische Wissenschaften - ISAS - e.V. sowie den in NRW ansässigen Firmen Particle Metrix und PL Bioscience.

Welchen Stellenwert hat die Förderung aus dem Förderwettbewerb „Translationale Stammzellforschung“ für Sie persönlich und für Ihre Arbeit im Allgemeinen? Das Vorgehen der translationalen Forschung unterscheidet sich erheblich von dem in der Grundlagenforschung. Hier ist es nicht das Ziel, neue Ergebnisse zu erzielen, sondern Prozesse so zu optimieren, dass sie bestimmte Richtlinien erfüllen, die für die Produktion von Therapeutika erforderlich sind. Neben der Einhaltung von Regularien kommt es sowohl bei der Produktion als auch bei der erforderlichen, sich anschließenden Qualitätskontrolle darauf an, dass die Techniken robust und streng reproduzierbar erfolgen. Klassische Förderinstrumente unterstützen diese Art Forschung, die aufgrund der hohen Anforderung sehr preis intensiv ist, nur unzureichend. Die Förderung Translationale Stammzellforschung hat uns den Einstieg in diese Art Forschung ermöglicht und damit auch die Grundlage für nachfolgende translationale Projekte geliefert. Als Grundlagenforscher ermöglichte mir diese Förderung neue Wege zu gehen, von denen ich vor ein paar Jahren noch nicht zu träumen gewagt hätte.

Ein aktuelles wissenschaftliches Highlight für mich ... Punktuell gibt es natürlich viele sehr interessante Entdeckungen im wissenschaftlichen Bereich. In den letzten Jahren sehe ich aber die Bedeutung, die extrazelluläre Vesikel im Körper spielen und mein sich hierdurch verändertes Verständnis von biologischen Prozessen als persönliches wissenschaftliches Highlight an. Es zeichnet sich ab, dass Zellen sowohl unter physiologischen als auch pathophysiologischen Bedingungen EVs nutzen, um auf sehr komplexe Art über kurze als auch lange Distanzen hinweg miteinander zu kommunizieren. Es ist für mich fast so, als wenn sich Außerirdische über Jahre hinweg wundern, wie die Menschheit sich über Kontinente hinweg organisiert und plötzlich erkennt, die können über den Briefverkehr, das Internet oder Telefon über große Distanzen hinweg gezielt miteinander kommunizieren. Verstehen wir dieses neu entdeckte Kommunikationssystem besser, ergeben sich neue Behandlungs- und Diagnostikoptionen für eine Vielzahl unterschiedlichster Erkrankungen. Mittel bis langfristig werden nach meinem Verständnis EVs verschieden Bereiche der Grundlagen- sowie der angewandten Forschung revolutionieren.

Was ich in diesem Monat außerhalb der Wissenschaft noch machen will ...Weihnachten steht vor der Tür. Neben der Beschaffung von Geschenken für die Lieben werde ich versuchen, den einen oder anderen Weihnachtsmarkt an Rhein und Ruhr zu besuchen.