„Translationale Stammzellforschung“ in persona


27.03.2017   News


Projekte im Bereich der translationalen Stammzellforschung haben eine Brückenfunktion zwischen den grundlagenwissenschaftlichen Erkenntnissen im Labor und dem Einsatz in der Patientenversorgung. Mit dieser Serie wollen wir versuchen, den abstrakten Begriff der Translation greifbar zu machen und einen Blick hinter die Kulissen der translationalen Stammzellforschung ermöglichen. Im vierten Teil dieser Serie stellt sich Simone Haupt vor.

 

Ich bin ... Simone Haupt, 43 Jahre alt, Biologin und seit neun Jahren Leiterin der „Bioengineering Group“ Plattform CELLOMICS bei der Life&Brain GmbH. Ich habe mein Biologiestudium an der Universität zu Köln absolviert und mich im Anschluss an der Universität Bonn, im Institut für Rekonstruktive Neurobiologie in der Stem Cell Engineering Group von Frank Edenhofer mit der Modulation von Stammzelleigenschaften mit Hilfe transduzierbarer Proteine beschäftigt. Schwerpunkt meiner Forschungen war die Untersuchung des Notch Signalweges in pluripotenten Stammzell-abgeleiteten neuralen Stammzellen. Nach vier Jahren in der Arbeitsgruppe von Frank Edenhofer habe ich die Chance bekommen, die Leitung der Bioengineering Group bei der LIFE & BRAIN GmbH zu übernehmen, was einen Wechsel von der Stammzell-basierten Grundlagenforschung hin zur anwendungsorientierten Stammzellforschung bedeutete. Die LIFE & BRAIN GmbH ist ein biomedizinisches Unternehmen mit Sitz am Universitätsklinikum Bonn, dessen Ziel es ist, neue Strategien für die Diagnose und Therapie von Erkrankungen des Nervensystems zu entwickeln. Unter einem Dach arbeiten hier universitäre Forschergruppen, wie das Institut für Rekonstruktive Neurobiologie, mit Mitarbeitern der LIFE & BRAIN GmbH zusammen, um einen effizienten Transfer des akademischen Know-hows in die kommerzielle Nutzung zu erreichen. Dies ermöglicht es den Wissenschaftlern, Entwicklungen innerhalb von LIFE & BRAIN von der akademischen Forschung über die LIFE & BRAIN GmbH bis hin zu einer möglichen Ausgründung konsequent weiterzuverfolgen. Ein Schwerpunkt meiner Tätigkeit bei der LIFE&BRAIN GmbH ist die Entwicklung von iPS-Zell-basierten neuralen Testsystemen für die Wirkstoffsuche. IPS-Zellen bieten die Möglichkeit, definierte somatische Zelltypen in praktisch unbegrenzter Zahl in vitro zu erzeugen. Für Erkrankungen des Nervensystems ist dieser Ansatz von besonderer Relevanz, da für diese Gewebe bislang keine Patienten- und Krankheits-spezifischen Zellquellen für die Medikamentenentwicklung zur Verfügung standen. Die iPS-Zelltechnologie eröffnet erstmals faszinierende Perspektiven, Wirkstoffe für die Behandlung neurodegenerativer Erkrankungen direkt in einem menschlichen Zellsystem zu testen und zu validieren. Vorrausetzung dafür ist die Erzeugung großer Mengen an Zellen in standardisierten, industriellen Formaten. In dem Projekt StemCellFactory haben wir daher das wissenschaftliche und technologische Fachwissen führender Institute und Firmen auf den Gebieten Stammzellforschung und Ingenieurwissenschaften in Nordrhein-Westfalen gebündelt, um ein automatisiertes System für die industrialisierte Produktion dieser Zelltypen zu entwickeln.

 

Welchen Stellenwert hat die Förderung aus dem Förderwettbewerb „Translationale Stammzellforschung“ für Sie persönlich und für Ihre Arbeit im Allgemeinen? Die Entwicklung von neuen Plattformtechnologien für die Reprogrammierung, Kultivierung und Differenzierung von humanen iPS-Zellen stellt ein sehr komplexes und kostenintensives Unterfangen mit hohem Entwicklungsrisiko dar. Die erfolgreiche Umsetzung erfordert lange Entwicklungszeiträume mit entsprechender Finanzierung. Die Initialzündung für unser StemCellFactory Projekt war die erfolgreich eingeworbene Förderung vom Land NRW im BioNRW2 Programm Ende 2010. Am Ende der dreijährigen Förderperiode ist es gelungen, gemeinsam mit den Partnern eine gut fünf Meter lange Produktionsstrasse für die iPS-Zellgenerierung und -Expansion in Form eines Demonstrators in Bonn aufzubauen. Um die Entwicklung an diesem Punkt nicht abbrechen zu lassen und notwendige technische und biologische Weiterentwicklungen der Plattformtechnologie zur Nutzung von Stammzellen für die Wirkstoffentwicklung zu realisieren, war die Anschlussförderung im Rahmen des Förderwettbewerbs „Translationale Stammzellforschung“ essentiell. Aufbauend auf de im StemCellFactory I Projekt dokumentierten Ergebnissen, konnten trotz der kurzen Förderperiode, notwendige technische Weiterentwicklungen, z.B. im Bereich der Steuerungssoftware oder dem integrierten Qualitätsmonitoring, umgesetzt werden. Von biologischer Seite hat die Forschungsförderung es uns ermöglicht prozessorientierte Innovationen aus der Grundlagenforschung mit aufzunehmen. Wir konnten erste Schritte zur Implementierung eines automatisierten Genom Editierungsverfahrens (CRISP/CAS9-Technologie) sowie neue Bioreaktor-basierte Methoden zur Generierung standardisierter 3D-Kulturen von aus iPS-Zellen gewonnenem Hirn- und Herzgewebe realisieren. Dadurch ist es uns gelungen im laufenden Leitmarktwettberwerb LifeScience eine weitere Anschlussförderung zu akquirieren. Gemeinsam mit den neu dazugekommen Partner LDC und BfArM werden die etablierten Technologieplattformen nun genutzten, um iPS-Zell-basierte zelluläre Testsysteme für die Wirkstofftestung und die personalisierte Pharmakotherapie im Bereich neuropsychiatrische Erkrankungen zu entwickeln. Die Förderung im Rahmen des Förderwettbewerbs „Translationale Stammzellforschung“ hat maßgeblich zum anhaltenden Erfolg des Projektes beigetragen, nicht zuletzt weil es uns nur so gelungen ist als geschlossener Verbund über nahezu sechs Jahre die angestoßene Entwicklung konsequent weiterzuführen.

 

Ein aktuelles wissenschaftliches Highlight für mich... ist die Genommanipulation mit der CRISPR/Cas Methode. Nach den ersten Publikationen in 2012, die zeigten, dass mithilfe des CRISPR/Cas-Systems in Mikroorganismen spezifische DNA-Ziele in vitro geschnitten werden können, ist die Technologie zu einer molekularen Revolution gereift, die die Grundlagenforschung genauso wie die Anwendung in Medizin, Landwirtschaft und Ökologie betrifft. Mit der CRISPR/Cas-Methode wird daher nicht nur die medizinische, sondern die gesamte biologische Forschung bahnbrechend verändert.

 

Was ich in diesem Monat außerhalb der Wissenschaft noch machen will ... Ein langes, am besten sonniges, Wochenende in Athen verbringen und eventuell meine Meinung über Retsina revidieren.