Neues Vorstandsmitglied im Stammzellnetzwerk.NRW


19.12.2018   News


Frau Prof. Dr. Schöne-Seifert, Philosophin und Medizinethikerin, wurde Anfang September in den Vorstand des neu gegründeten Vereins Stammzellnetzwerk.NRW gewählt. Erfahren Sie in diesem Interview mehr über ihre Forschung, wünsche an die Stammzellforschung und zukünftige Herausforderung der Translation.

Prof. Dr. Bettina Schöne-Seifert

Professor Dr. Bettina Schöne-Seifert ist seit 2003 Inhaberin des Lehrstuhls für Ethik in der Medizin an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Im Jahr 2001 wurde sie in den Deutschen Ethikrat berufen und gehörte diesem bis 2010 an. Zum Mitglied der Leopoldina wurde sie 2009 gewählt.

Anfang September 2018 wurde Frau Prof. Dr. Schöne-Seifert als neues Mitglied in den Vorstand des Stammzellnetzwerk.NRW gewählt, der ab 2019 nahtlos die Aufgaben des bisherigen Kompetenznetzwerks Stammzellforschung NRW weiterführen wird. 

Wir haben Frau Schöne-Seifert interviewt, um Sie Ihnen näher vorzustellen.

Würden Sie Ihr wissenschaftliches Profil für unsere Leser kurz vorstellen? 

Gerne: Ich bin approbierte und promovierte Medizinerin (mit einer ziemlich aufwändigen experimentellen Promotion bei Max Planck und ca. drei Jahren klinischer Tätigkeit), habe mich dann aber früh der Philosophie und Medizinethik zugewandt. So habe ich einen Masterstudiengang Biomedical Ethics an der Georgetown University in Washington, DC absolviert und dann in diesem Bereich am Philosophischen Seminar der Universität Göttingen, am Wissenschaftskolleg zu Berlin, an der Forschungsstelle Ethik der Universität Zürich und am Zentrum Ethik/Wissenschaftstheorie der Uni Hannover gearbeitet. 2000 schließlich habe ich mich an der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen habilitiert.

Meine Arbeitsschwerpunkte liegen also in der Medizinethik und reichen dort von theoretischen Begründungsfragen bis zu konkreten Anwendungsproblemen ganz unterschiedlicher Art. So habe ich mich etwa beteiligt an den Debatten um den Umgang mit vorgeburtlichem menschlichem Leben (PID, verbrauchende Embryonenforschung), um Organtransplantation, um Hirntod, um Entscheidungen am Lebenssende (z.B. ärztliche Suizidhilfe), um Verteilungsgerechtigkeit oder um Alternativmedizin. Und es gibt noch viel zu tun!

Welche Aspekte der Stammzellforschung interessieren Sie besonders und in welchen Zusammenhängen haben Sie sich bislang mit der Thematik beschäftigt? 

Aufregend finde ich ganz vieles, was in der Grundlagenforschung und in der klinischen Forschung passiert, nicht zuletzt in der Kombination von Stammzell- und Geneditierungs-Forschung. Mein eigener Blick auf dieses Gebiet richtet sich dabei natürlich auf die normativen Fragen: auf die Debatten um Embryonenschutz, um Reproduktions- und Gen-Ethik und um entsprechende Forschungsverbote oder -erlaubnisse. 

Das Stammzellnetzwerk.NRW will sich künftig noch stärker mit der Translation der Forschungsergebnisse beschäftigen. Wo sehen Sie die großen Herausforderungen der Translation in den nächsten Jahren? 

Ethisch gesehen: (i) In guter Kontrolle, Aufsicht und Aufklärung über experimentelle Therapien - wie bei allen klinischen Innovationen. (ii) In der Ermöglichung vielversprechender präklinischer und klinischer SZ-Projekte – nicht zuletzt durch Revision von Stammzellgesetz (veralteter Stichtag, Forschungsvorbehalt) und Embryonenschutzgesetz. Dafür braucht es informierte ethische Debatten. (iii) Im Anheben biologischer und medizinischer Bildung (health literacy) in der Bevölkerung. Das Unwissen in Teilen der Öffentlichkeit ist offenbar bedrückend groß!

Was kann der inter- und transdiziplinäre Dialog, der im Stammzellnetzwerk.NRW gepflegt wird, für das Forschungsgebiet leisten?

In all den voranstehend genannten Punkten (und vielen weiteren): das gegenseitige und multiperspektivische Verstehen befördern. Für mich persönlich: Gute angewandte Ethik setzt hohes Faktenwissen voraus. Was sind die realistischen Hoffnungen der aktuellen SZ-Forschung? Was die vermeintlichen Holzwege? Wie steht es um die strukturellen Bedingungen – um Finanzierung, Regulation, Nachwuchsförderung – im Lande? Hat etwa der deutsche 'Biokonservativismus' hier Schaden angerichtet? Hier möchte ich laufend dazulernen.

Wenn Sie einen Wunsch mit Bezug auf die Stammzellforschung frei hätten würden Sie sich wünschen, dass …

…es rasch zu stammzellbasierten klinischen Erfolgen kommt, wie sie sich als Hoffnungen etwa für Patienten mit Hämoglobinopathien, Muskelschwund, Morbus Parkinson oder Diabetes Typ 1 abzeichnen. 

Was ich außerhalb der Wissenschaft noch machen will ...

…weiter wie bisher: am Leben meines Mannes und unserer vier Kinder Anteil nehmen; mein Pferd, unsere Freunde, Bücher und vieles mehr genießen...