Aus induzierten pluripotenten Stammzellen gezüchtete Hirn-Organoide reagieren auf Licht


27.09.2021   News


Einem Konsortium von Forschenden um den Düsseldorfer Professor Jay Gopalakrishnan ist es gelungen, in der Petrischale Hirnorganoide herzustellen, die bereits eine Augen-ähnliche Struktur aufweisen.

Hirnorganoid mit Augenähnlicher Struktur

Bereits seit einigen Jahren sind Wissenschaftler/innen in der Lage, aus Stammzellen Gehirn-ähnliche 3D-Strukturen im Labor herzustellen, die oftmals als „Mini-Gehirne“ bezeichnet werden. Diese ca. 2-4 mm großen Organoide sind gerade für die Entwicklungsbiologie ein sehr wertvolles Modelsystem, weisen aber natürlich nicht alle Eigenschaften eines menschlichen Gehirns auf.

Nun ist es mehreren Wissenschaftler/innen aus dem Stammzellnetzwerk.NRW zusammen mit weiteren Partnern erstmals gelungen, Hirnorganoide herzustellen, die bereits über primitive sensorische Strukturen verfügen, d.h. die Hirnorganoide können beispielsweise auf Lichtreize reagieren. Diese neuartigen Modelle werden der Wissenschaft helfen, die komplexen Strukturen zwischen Gehirn und Sehnerv zukünftig besser untersuchen und verstehen zu können. Publiziert wurden die Ergebnisse im renommierten Fachmagazin Cell Stem Cell: Gabriel et al.: „Human brain organoids assemble functionally integrated bilateral optic vesicles“, August 17, 2021.

Das Ausgangsmaterial der Forschenden sind induzierte pluripotente Stammzellen (iPSC), aus denen sie unter Verwendung eines bestimmten Protokolls im Labor die menschlichen Hirnorganoide herstellen können. Durch spezifische Anpassungen im Protokoll ist es den Forschenden nun gelungen, dass die Hirnorganode beidseitig Sehnerven im Vorderhirn ausbilden. Nach ca. 30 Tagen in der Petrischale konnte die Bildung von Sehnervenbläschen an den Organoiden beobachtet werden, innerhalb von 60 Tagen entwickelten sie sich weiter zu sichtbaren Strukturen. Die Hirnorganoide mit Sehnerven werden als „OVB-Organoide“ (optic vesicle-containing brain organoids) bezeichnet und weisen strukturelle Ähnlichkeiten zum menschlichen embryonalen Auge auf: primitives Hornhautepithel, linsenähnliche Zellen, retinales Pigmentepithel, retinale Vorläuferzellen, axonähnliche Fortsätze und elektrisch aktive neuronale Netzwerke (eine Art Netzhaut), die auf Lichteinfall reagieren und die Signale ins Innere der ca. 2 mm großen Miniaturgehirne weiterleiten.

Bisher war es noch nicht möglich, Interaktionen zwischen verschiedenen Bereichen innerhalb eines einzigen Organoids nachzuweisen. Die Wissenschaftler/innen konnten in der vorliegenden Studie nun mittels „Photobleaching“-Experimenten erstmals solche Interaktionen nachweisen, da die Hirnorganoide in der Lage waren, primitive sensorische Strukturen im Vorderhirn in gewissem Ausmaß selbst zu organisieren. Die neuartigen Modelle menschlicher Hirnorganoide mit beidseitig symmetrischen Sehnerven eröffnen bedeutende Möglichkeiten, um die komplexe Entwicklung des Gehirns zukünftig besser verstehen zu können und leisten zudem einen wichtigen Beitrag in der Erforschung von Krankheiten. "Diese Organoide können helfen, die Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Auge während der Embryonalentwicklung zu untersuchen, angeborene Netzhauterkrankungen zu modellieren und patientenspezifische Netzhautzelltypen für personalisierte Medikamententests und Transplantationstherapien zu erzeugen." schildert Prof. Jay Gopalakrishnan (Universitätsklinikum Düsseldorf), der Letztautor der Publikation ist.

Am Donnerstag, den 30.09.2021 stellt Prof. Gopalakrishnan die Ergebnisse in der Spotlight-Reihe vor. Die Teilnahme ist kostenlos. Bei Interesse bitte unter info[at]stammzellen.nrw.de melden.

Forschungsprofile der beteiligten Arbeitsgruppen aus dem Stammzellnetzwerk.NRW: