Rechtslage

Die rechtliche Situation in Fragen der Stammzellforschung ist sehr komplex. Dies wird unter anderem dadurch bedingt, dass die Fragestellungen in Deutschland (genauso wie in anderen Ländern) nicht zentral geregelt sind, sondern viele verschiedene Gesetze, Verordnungen und sonstige Regularien aus dem öffentlichen Recht, dem Strafrecht und in Teilen auch dem Zivilrecht (etwa in Fragen der ungeprüften Therapien) für die Stammzellforschung eine Rolle spielen. Auch die administrative Zuständigkeit ist sehr heterogen. Hinzu kommt, dass es international keine einheitlichen Gesetze oder zumindest Regulierungsmodelle zur Stammzellforschung gibt. Jedes Land hat eigene Ansätze in Gesetzgebung und Verwaltung und selbst auf der Ebene der Europäischen Union gibt es nur wenige gemeinsame Regelungen. Zugleich ist moderne Forschung ohne internationale Kooperation kaum denkbar. Das stellt die Akteure der Stammzellforschung vor eine große Herausforderung, wenn sie sich mit ihrer Forschung und deren Verwertung rechtssicher bewegen wollen. Anbei finden Sie die wichtigsten Gesetze mit kurzen Erläuterungen.

Embryonenschutzgesetz

Das 1990 erlassene und 1991 in Kraft getretene Gesetz zum Schutz von Embryonen (kurz Embryonen-schutzgesetz; ESchG) soll den Umgang mit menschlichen Embryonen und Gameten im Zusammenhang mit der damals aufgekommenen Kinderwunschbehandlung (In-Vitro-Fertilisation; IVF) regeln. Obwohl die Stammzellforschung zum damaligen Zeitpunkt noch nicht im Visier des Gesetzgebers stand (die ersten menschlichen embryonalen Stammzellen wurden erst 1998 in den USA und Israel kultiviert), prägt das Gesetz die Rechtssituation zur Stammzellforschung bis heute entscheidend, zumal es seit seinem Inkrafttreten in weiten Teilen unverändert ist. Das Gesetz verbietet (zumindest nach überwiegender Ansicht der Rechtswissenschaftler/innen) unter anderem das therapeutische wie auch reproduktive Klonen und stellt jegliche missbräuchliche Verwendung von IVF-Techniken, so auch die Verwendung von Embryonen zu Forschungszwecken, unter Strafe. Ein Embryo ist dabei nach dem Maßstab des ESchG bereits die befruchtete, entwicklungsfähige Eizelle, sowie jede daraus entnommene totipotente Zelle. Auf Grundlage dieses weiten Embryonenbegriffs verbietet das ESchG jede Verwendung eines so definierten Embryos, mit Ausnahme der Herbeiführung einer Schwangerschaft bei der Eizellspenderin. Dies bedeutet, dass die Gewinnung von embryonalen Stammzellen aus menschlichen Embryonen in Deutschland verboten ist. Dies gilt auch für sogenannte überzählige Embryonen, die bei einem IVF-Verfahren nicht mehr zur Herbeiführung einer Schwangerschaft benötigt werden und in anderen Rechtsordnungen zur Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen verwendet werden dürfen. Tatsächlich strebt das ESchG an, die Entstehung überzähliger Embryonen zu verhindern, indem es anordnet, dass pro IVF-Zyklus nur maximal drei Eizellen befruchtet werden dürfen und alle befruchteten Eizellen auf die Mutter übertragen werden müssen. Seit dem Inkrafttreten des ESchG wurde es lediglich mit Blick auf die Präimplantationsdiagnostik (durch Einfügung von § 3a) nennenswerten Änderungen unterzogen. Den vollständigen Gesetzestext finden Sie hier.

Stammzellgesetz

Während das Embryonenschutzgesetz die Gewinnung von humanen embryonalen Stammzellen in Deutschland verbietet, lässt es die Frage offen, ob deutsche Wissenschaftler/innen an humanen embryonalen Stammzellen forschen dürfen, die im Ausland gewonnen wurden. Dieser Bereich rechtlicher Unsicherheit löste eine breite Diskussion aus, nachdem bei der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG) ein Antrag auf Förderung zur Forschung an humanen Stammzellen, die aus dem Ausland importiert werden sollten, eingegangen war. Aufgrund der unklaren Rechtslage wandte sich die DFG mit der Frage an den Deutschen Bundestag. Dort wurde am 28. Juni 2002 nach langer kontroverser Debatte das Gesetz zur Sicherstellung des Embryonenschutzes im Zusammenhang mit Einfuhr und Verwendung menschlicher embryonaler Stammzellen (kurz Stammzellgesetz; StZG) erlassen. Das Stammzellgesetz stellt einen Kompromiss zwischen Forschungsfreiheit und Patientenrechten einerseits und dem Schutz frühen menschlichen Lebens andererseits dar. Einfuhr und Verwendung embryonaler Stammzellen ist danach grundsätzlich verboten. Zu diesem Verbot gibt es aber unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmen. Zunächst ist der Stammzellimport nur zu hochrangigen Forschungszwecken (wozu unstreitig Grundlagenforschung und die Forschung an Therapien für schwere, bislang nicht heilbare Erkrankungen zählen) erlaubt. Ein Import embryonaler Stammzellen zum Einsatz in bereits entwickelten Therapien ist nach derzeitiger Rechtslage nicht zulässig. Die importierten Stammzellen müssen im Herkunftsland in Übereinstimmung mit der dortigen Rechtslage und vor dem Stichtag 1. Mai 2007 aus überzähligen Embryonen gewonnen worden sein. Diese sogenannte Stichtagsregelung soll verhindern, dass im Ausland Embryonen eigens zur Herstellung von Stammzellen für den deutschen Bedarf zerstört werden, um so dem Vorwurf der Doppelmoral zu begegnen. Ursprünglich war der Stichtag der 1. Januar 2002 (also vor Inkrafttreten des Gesetzes). Dieser Stichtag wurde aber im Zuge einer Novellierung des Gesetzes 2008 verschoben, um deutschen Forscher/innen den Zugang zu neuen Stammzelllinien zu ermöglich, die z.B. ohne Zuhilfenahme tierischer Fütterzellen (feeder cells) hergestellt wurden. 

Zuständige Behörde für die Genehmigung von Anträgen auf Import humaner embryonaler Stammzellen ist das Robert Koch Institut (RKI), beraten durch die Zentrale Ethik-Kommission für Stammzellenforschung. Den vollständigen Gesetzestext des StZG finden Sie hier.

Patentsituation

Eine große Schwierigkeit für das Forschungsfeld ergibt sich aus der patentrechtlichen Situation für humane embryonale Stammzellen. Nach einem langjährigen Prozess zwischen Greenpeace und dem Inhaber mehrerer Patente mit Bezug zu embryonalen Stammzellen entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2011, dass Verfahren, zu deren Entwicklung humane embryonale Stammzellen eingesetzt wurden, nach der Europäischen Biopatentrechtlinie (und damit auch nach dem an ihr orientierten deutschen Patenrecht) unzulässig sind. Dies gilt auch, wenn die embryonalen Stammzellen für das resultierende Verfahren nicht mehr benötigt werden, aber in dessen Entwicklung zum Einsatz gekommen sind. 

Patente auf der Grundlage von embryonalen Stammzellen sind allerdings dann möglich, wenn die eingesetzten Zelllinien ohne Zerstörung von Embryonen gewonnen wurden. Ferner sind Verfahren patentierbar, welche die Verwendung von Zelllinien einschließen, die aus nicht mehr entwicklungsfähigen Embryonen gewonnen wurden. Da diese Ausführungen jedoch noch Interpretationsspielraum zuließen, spezifizierte der EuGH 2014 seine Rechtsprechung, indem er klarstellte, dass Verfahren, die auf der Verwendung humaner embryonaler Stammzellen beruhen, die durch Parthenogenese erzeugt wurden, grundsätzlich patentierbar sind.

Internationale Rechtslage

Innerhalb Europas bestehen sehr große Unterschiede darin, inwiefern die Forschung an embryonalen Stammzellen erlaubt ist. Während beispielsweise in Belgien oder England den Wissenschaftler/innen relative viele Forschungsmöglichkeiten eingeräumt werden, ist es z.B. in Italien und Österreich streng reglementiert, wann embryonale Stammzellen für Forschungszwecke verwendet werden dürfen. Einen ersten Überblick gibt diese Karte (nur in Englisch). Die Website bietet neben weiterführenden Informationen zu den europäischen Ländern auch einen weltweiten Überblick. 

Eine ausführlichere, wenn auch nicht erschöpfende, Darstellung der Rechtssituation in Deutschland und ausgewählten anderen Ländern finden Sie hier.